Du, ich, Bier ? Ist die kurze Prosa des Abends. Ole ist das ich, ich bin das du und das Bier halt. Wir treffen uns am Brill, dem Picadilly Circus einer kleinen schläfrigen Stadt im Norden. Hallo, wie geht’s? Bier her, los gehen. Die Woche ist vorbei, das kühle fließt die Kehle runter und läutet Mental die Vorrunde eines glorreichen Blitzkrieg der Alkoholvernichtung ein. Nach kurzem Sozialkitgequatsche über die
gegenwärtige Lebenssituation schwenken wir gewohnt zur Misantrophie über und finden uns, an der Weser auf ein Anlegetau eines Schiffes pissend, in einem Gespräch über das neue Subway-Plakat wieder >>Das neue Piri-Piri- Sandwichs. So schmeckt Afrika !!!<< Hahaha hallt es in die Nacht, unterlegt mit fast beruhigendem Urinplätschern. Was für wundervolle Ironie. >>Kann Afrika überhaupt schmecken? <<, frage ich Ole mit obligatorisch leichter geistiger Schlagseite für diese Frage. >>Frag die BILD. Die beantwortet sowas IMMER!!! <<, antwortet er.
Von Afrika und schlechter Werbung erzähle ich Ole das es in Berlin während der Schlacht um Stalingrad in einigen Restaurants aus Solidarität Essen mit gleicher Nahrhaftigkeit wie das der Soldaten gab. Könnte man heute auch gut anwenden. Der dicke Wohlstandsmensch holt sich aus Solidarität beim Wurstpavillon in der Stadt jetzt 5 Reiskörner. Da würde ich noch mehr lachen als bei der pietätlosen Werbung. Problematisch wird nur das dann auftretende „zu nahe kommen“ des Leides. 5 Euro an UNICEF befriedigen halt das angeprangerte Gewissen, aber keine Bratwurst mehr? Das ist Zuviel! Zu wenig! Was denn jetzt? Also lieber doch 10 Euro.
Würde man mit Geldspenden an den Axel-Springer-Verlag eigentlich eine anspruchsvollere Zeitung erwarten können? In übergreifender Goebbels-BILD-Rethorik erlaube ich mir ein vorgreifendes:nein, höchstwahrscheinlich nicht. Mehr Titten wären wohl eher das Resultat.
Ortswechsel, Hauptbahnhof, ansteigender Pegel, gleichbleibendes Gesprächsschema. Der Wunsch nach etwas destruktivem steigt in uns auf wie die Kohlensäure geschwängerten Rülpser in immer kürzer werdenden Intervallen. Wir entwenden einen Gepäckwagen und fahren uns halsbrecherisch gegenseitig über die Straßen bis von irgendwoher ein dicker Bahnhofspolizist, der ziemlich antiautoritär in seiner Wurstpellenähnlichen Uniform aussieht, uns anschreit wir sollen das Ding sofort wieder hinstellen. Wir laufen weg vor dem dicken Mann. Verstecken uns hinter einer Säule und ich lalle ein völlig sinnloses:>> Wir haben eben bei McDonalds gegessen, Ole, lass hier warten sonst kann er unsere nach Burger riechende Fährte aufnehmen. <<
Der kleine dicke Bahnhofshitler geht von dannen und ich schreie aus sicherer Entfernung: >>Da läuft sie die Maßlosigkeit der dekadenten Wohlstandsgesellschaft!!! <<
Irish Pub.Gute Musik. Wir treffen Johanna die sich nun Ergotherapeutin nennen darf. Noch mehr Bier, noch mehr Konsum. Das Bier auf zwei Mark zehn, scheiß egal es wird schon gehen.Ich will Spaß. Ich will Spaß, ich will Spaß.
Aus anfänglich sinnloser Trunksucht ist nun auch eine handfeste Legitimation geworden: wir feiern einfach den Erfolg des anderen Menschen mit. Seltsamerweise muss ich dabei an die Geburt denken. Eltern werden nebensächlich, das Kind rückt in den Vordergrund.
Johanna überredet uns doch noch mit ins „Woodys“ zu kommen. Ein Schuppen der mit gefühlten 8,0 Promille in ertragbare Sphären rückt.
Der Dresscode des „Woodys“ ist, und wird sicherlich immer schwarz sein. Und wichtig für einen sogenannten „Rockschuppen“ sind natürlich T-shirts mit Bandlogos oder dummen Sprüchen oder, oder usw. Hauptsache nicht zu hell.
Im Hintergrund schrammeln jedem bekannte Gitarrenriffs und wir gehen in den Raucherbereich. Ich beginne eine Konversation mit Sonja, einer Freundin Johannas die bald heiraten wird und lalle sie mit irgendwelchen Pseudomoralansprüchen über die Ehe zu. Sie nickt, nippt, gibt mir das Gefühl: Jaja, hast völlig recht, was das Gefühl eines Monologes noch mehr verstärkt.
Ein ziemlicher Klischee-Metalfan sitzt mir mit langen schwarzen Haaren und anscheinend obligatorischer Kellerbräune, die seinen spindeldürren Körper überzieht, gegenüber. Ich lache und sage ohne Ole meine Gedanken vorher geschildert zu haben:>> Solche gibt’s ja immer noch...Hahaha.<< Er schaut irritiert und wir trinken einfach weiter. Der Alkohol halt. Auge zu drücken. Flasche kippen.
Wir gehen pinkeln und erblicken am Waschbecken in sterbe ähnlicher-Position eine andere Form der Maßlosigkeit. Der junge Herr erbricht sich lauthals und ich schreie wieder etwas von Todsünden im Bewusstsein selbst heute Abend völlig Maßlos zu sein. Weiß ja keiner, sieht keiner, merkt das betrunkene Gegenüber eh nicht.
Neben mir grölen Johanna und mir fremde Personen „Self Esteem“ von „the Offspring“ und ich schreie: >>Bei dem Refrain sollte der besoffenste Gesangslaie aber wirklich aufhören.(Yeeeaaaaahhh,Yeeaaahhh).Noooohoooo.
Ich will mir meine Jacke holen, frage das Jackenausgabemädchen was lesend in ihrem Kämmerchen sitzt, was das sei. Aha, keine Ahnung, mir zu trivial rufe ich durch die Geräuschflut. Tötende Blicke durchbohren mich. >>Achja, was liest du denn so? <<, fragt sie. >>In der Mittagspause gerade Hemingway. <<, antworte ich. Wir beginnen zu diskutieren. Sie kennt Dostojewski, ich kenne an diesem Abend kein schöneres Mädchen. Gehe hin und wieder rauchen und sage Johanna das ich verliebt bin. Sie und ihre Freundinnen lachen. Hachja, denke ich. Ist dem trivialen Einheitsmenschen dem man so häufig begegnet überhaupt dieses Gefühl des „gleichgesinnten treffen“ bekannt? Wohl kaum er trifft ja ebenfalls nur triviale Menschen.
Albert Camus, gesellt sich ins Gespräch und ich rede und rede wieder einen endlosen Monolog mit diesem Mädchen. Ihre Mimik verzieht sich zu einem gequälten:>> Ich kann hier nicht weg, wann hört der auf? << Mir egal. Ich rede weiter und lache innerlich über meine eigene penetrante Art. Kommunikative Masturbation könnte man es nennen.
Ein moppeliger junger Mann mit einem T-shirt auf dem „Das Wars“, in Star Wars Schrift aufgedruckt ist holt sich seine Jacke. Was wars? Verstehen sie Spaß?
Ich assoziiere zu diesem Schriftzug spontan die Einsicht fehlendes Intellekts dieses Trägers mit dem Wunsch es jedem ohne den Mund aufzumachen mitzuteilen. T-shirt-Kommunikation. Schlimmer als mein betrunkener Monolog.
Das Mädchen muss nun arbeiten. Gibt Jacken aus und darf mich legitimerweise ignorieren. Ole und Johanna sind weg. Ich hole meine Jacke, sage irgendwas von: >>Ja, war nett mit dir ...Blabla.<<, und gehe schwankend nach Hause. Das Wars. Der Alkohol war stark in dir, Luke.
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