Litterae

Litterae ist eine Kategorie auf Stricture die Ihnen das Buch Till the End of the Song vorstellt. Wir präsentieren Ihnen jede Woche neue 6-10 Seiten aus dem Buch. Die neu hinzugefügten Seiten werden in grüner Schrift hervorgehoben. Da dieses Skript noch in der Fertigstellungs-Phase ist, sind Feedback, Kommentar und andere Anmerkungen sehr erwünscht!
Eine genussvolle Literatur wünschen WIR!

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Till the End of the Song
Gliederung



„A long long time ago I can still remember how that music used to make me smile...“


Als das Schiff in den Hafen einlief regnete es und es zog
der gleiche eisige Wind in mein Gesicht der auch schon bei
meiner Abreise wehte.
Dabei kam ich hierher um alles zurück zu lassen, alles zu
vergessen und jetzt verfolgte mich sogar dieses beschissene
Wetter. Ich zündete mir eine Zigarette an, lehnte mich ein
wenig gegen die Reling und wartete bis die letzten Taue
festgezogen wurden, damit man die Gangway herunter lassen
konnte. Ich blickte in die Nacht hinein und erkannte hinter
der dicken Wand aus Regen die matten Lichter der Stadt. Ein
leichtes dumpfes Grollen ging durch den Hafen und nach
wenigen Sekunden bemerkte ich die schwarzen Umrisse der
Menschen die von Bord gingen. Es wurde Zeit. Ich schnippte
die Zigarette ins Dunkel der Nacht, die die Glut hinter
sich verschlang und der ausgestoßene Rauch umhüllte mich,
mit meinem kalten Atem in eine kleine Wolke. Ich klappte
den Kragen meiner Lederjacke hoch, warf mir meine
Reisetasche über die Schultern, hob den Gitarrenkoffer hoch
und ging Richtung Gangway. Der Wind blies eisig und ich
musste meine Augen zusammenkneifen. Langsam entlud das
Schiff seine eingehüllte Fracht, langsam Begriff ich wo ich
mich mit einem Mal befand.
"New York City Port 3", las ich auf einem Schild am Kai.
Meilen von zu Hause entfernt. Zuhause, Heimat, Familie, in
diesen Moment verloren diese ganzen Worte für mich, jetzt
wo ich hier war ihre Bedeutung.
Vielleicht haben sie mir aber auch nie etwas bedeutet
Verdammt nochmal, daran durfte ich jetzt keinen Gedanken
verschwenden, auf der Reise die ich jetzt antrat würde ich
ohnehin ein Heimatloser sein.
Auf der Gangway ging es nur langsam voran und der Wind mit
seinen eisigen Tropfen schlug mir drückend von der Seite
ins Gesicht, als würde er versuchen die Menschen zurück auf
das Schiff zu drängen. Am Ende sammelten sich stetig mehr
Menschen, kleine dunkle Trauben mit schweren, großen
Koffern. Hier und da glimmte eine Zigarette im dunklen auf,
die die Gesichter bei jedem Zug etwas erhellten. Es war
eine stille Prozedur, nur leise flüsterten die Menschen
miteinander, Umarmungen und wiedersehends Tränen wurden
still und ohne große Euphorie ausgetauscht.
So wie ich zwischen Schiff und Land auf der Gangway stand,
so teilten sich auch die Geräusche des Hafens. Vor mir,
mitten in den Lichtern der riesigen Stadt waren die
Geräusche der Zivilisation zu hören und unter mir das
plätschernde Wasser welches leise seine kleinen Wellen
gegen die Hafenwände schlug.
Nach mehreren Minuten setzte sich die Schlange wieder
schneller in Bewegung und ich fühlte nach zwei Tagen Wasser
unter mir endlich wieder festen Boden.
Ich schlängelte mich langsam durch die Menschen und
versuchte die Dunkelheit die hinter mir, über dem Meer lag
mit dem Licht der Stadt zu tauschen.
Im vorbei gehen erblickte ich eine junge Frau die ihren
Mann, Bruder oder Freund in die Arme Schloss und deren
Tränen sich mit dem Regen vermischten, der hart auf den
Beton viel.
Ich fror ziemlich stark und jeder Atemzug versetze mir
innerlich eine bittere Kälte.
Als ich das Ende des Kais erreichte stand ich schon fast
in der Stadt und wusste nicht so recht wo ich lang musste.
Die riesige Wand der Wolkenkratzer erhob sich direkt vor
mir und instinktiv oder aus Neugier hob ich meinen Kopf in
die Höhe, um das Ende dieser Gebäude zu erblicken. Der
kalte Regen floss mir über das Gesicht und ich bemerkte,
dass ich kein wirkliches Ende sehen konnte. Der schwarze
Himmel und die Lichter der Hochhäuser schienen ineinander
überzugehen, als wäre an ihrer Spitze ein schwarzer Strich
gezogen worden der alles begrenzte.
Ich wendete meine Augen wieder geradeaus und beim Anblick
dieses Labyrinths aus Häusern und Straßen fühlte ich die
Hilflosigkeit in mir aufsteigen. Durchnässt und frierend
ging ich ein paar Schritte, um mich unter einem Vordach
unterzustellen. Ich zündete mir eine weitere Zigarette an
und beim abtasten meiner Jacke fand ich in meiner
Innentasche die Wegbeschreibung zum Hotel. Etwas
zerknittert und wässrig war das Papier aber immer noch
lesbar und unter der Flamme meines Feuerzeugs ging ich mit
meinem Finger über die fremden Straßen, blickte mich um und
fand die Beschreibungen zu treffenderweise vor mir.
Ich nahm noch ein paar Züge an der Zigarette und fing an in
Richtung der U-Bahn Station zu gehen.
Glücklicherweise lag die Nächste Station nicht weit vom
Hafen entfernt und ich musste nur ein paar hundert Meter
durch den Regen laufen.
Ich stieg die nassen Stufen zu den Bahngleisen herunter und
war froh aus der Kälte heraus zu sein. Der Geruch von Urin
und Dreck stieg mir in die Nase. Ich fand mich in einer
dreckigen Unterwelt wieder. Der Gestank meiner
weggeworfenen Jahre hing mir in der Nase und ließ mich
schneller durch diesen Gang schreiten.
Im Hintergrund quietschte ein Zug und von irgendwo tropfte
Wasser von der Decke. Ein Obdachloser lag unter einer
versifften Decke auf dem kalten Stein Boden und beim
Anblick zog ich die Jacke ein Stück fester an meinen
Körper.
Am Bahnsteig suchte ich die Anzeigetafel und verglich die
Angaben mit meiner Wegbeschreibung. Fünf Haltestellen
musste ich fahren und langsam merkte ich wie sehr ich mich
nach einem warmen Platz sehnte, besonders bei dem Anblick
dieser kalten feuchten Gemäuer und der Gewissheit, dass
draußen ein Wetter herrschte das kälter war als das Herz
des Teufels.
Es dauerte nur ein paar Minuten bis der Zug mit einem
Rauschen heran fuhr und einen kalten Wind mit sich brachte
der diesen typischen U-Bahn Geruch in sich trug.
Die Bremsen quietschten und die Türen gingen mit einem
zischen auf. Im Zuginneren suchte ich einen Platz und lies
mich schlapp auf einen Sitz fallen.
Erschöpft blickte ich aus dem Fenster in das Dunkle des
Tunnels, obwohl mir bewusst war dort nichts zu erblicken
außer die Spiegelung des Zuginneren.
Mein Kopf wendete sich ab und ich schaute flüchtig durch
den Zug. Vereinzelt saßen Fahrgäste verstreut im Zug, lasen
Zeitung oder blickten resigniert aus dem Fenster. Als Kind
machte mich so ein Moment in dem nur das Rattern des Zuges,
das Schaukeln des Waggons vernommen wurde immer etwas
traurig. Man war voller Wissbegierde, wurde nie müde zu
fragen oder den Erwachsenen Menschen die Welt zu erklären.
Und dann blickte man in die ernsten, müden, ausgezehrten
Gesichter der Menschen, die schweigend aus dem Fenster
blickten und schließlich doch nur sich selbst sahen. Es
zeigte meiner Kinderseele ziemlich schnell wie still und
grau das Leben sein konnte. Keinesfalls so bunt wie in
seiner eigenen Phantasie. Ich blickte ebenfalls wieder in
das Fenster, in die Spiegelung und versuchte an nichts zu
denken. Das monotone rattern des Zuges ließ mich schläfrig
werden und ich ließ mich mit dem Zug treiben. War einfach
nur froh hier heil angekommen zu sein, froh aus der kalten
Nacht zu sein. Die ersten zwei Stationen zogen an mir
vorbei, hell und dunkel, fahren und bremsen, einsteigen und
aussteigen. Ein nie enden wollender Vorgang. Menschen kamen
und gingen. Ich schaute wieder in den Zug, müde von meinem
Spiegelbild. Ein paar betrunkene die von einer Party zu
kommen schienen, blickten stumm und schwankend auf den
Boden. Ein Arbeiter in blauer Latzhose sah müde aus dem
Fenster und ein Mann im Anzug studierte eifrig die
Abendzeitung. Sie schienen sich der ratternden Monotonie
des Zuges, der ewigen Routine still ergeben zu haben.
Ein alltägliches hin und her. Menschen die keine
Veränderung kannten, irgendwo einstiegen, wieder ausstiegen
und immer das Gleiche erlebten, egal welcher Schicht sie
angehörten.
Kleine Metronome die immer nur einen Takt kannten.
Arbeiten und Feiern bildeten nur die Gegensätze in diesem
immer gleichen Prozess.
aussehender Obdachloser stieg in den Zug. Er blickte sich
um und ließ sich dann gegenüber von mir nieder. Sein
Gestank biss sich mir in die Nase, seine Kleidung war
zerrissen und die grauen Haare trieften vor Fett. Mit einem
verächtlichen Blick drehte ich meinen Kopf wieder zur
Scheibe. >>Hey, Kumpel hast du'n Problem oder was? Noch
nie'n Penner gesehn?<<, sagte er laut in meine Richtung.
Seine Stimme war rau und ein ekelerregender Alkoholgestank
warf sich mir entgegen, sodass ich ein wenig zurück wich.
Da es nur noch zwei Stationen bis zum Hotel waren und ich
mich ziemlich erschöpft fühlte sagte ich nichts. >>Hey,
feines Kerlchen, ich rede mit dir. Haste nicht'n paar
Kröten übrig? - Der alte Bill hat heute noch nicht seinen
Schnaps getrunken.<< Sein widerlicher Mundgeruch und der
Anblick seiner vergammelten Zähne riefen in mir fast einen
Würgereflex hervor. Mit verzerrtem Gesicht Blickte ich ihn
an und sagte in einem abwertenden Ton:>> Vielleicht sollte
der alte Bill dann mal auf Wasser umsteigen. - Zum Waschen
und zum Trinken.<<->>Oh, der feine Herr in der schönen
Jacke kann ja reden.<<, sagte er, hustete und es klang
dabei als würde er etwas mit hochwürgen. Ich wusste nichts
mehr hinzuzufügen und drehte mich wieder weg, wünschte mir
das endlich meine Station in den Lautsprechern erklang.
Der Mann beugte sich mit einem mal vor und fasste mich mit
seinen dreckigen schwarzen Händen an. >>Hör mal Freundchen,
ich trinke jeden Tag meinen Schnaps und wenn ich keinen
bekomm werd ich nich gerade freundlich.<< Ich blickte an
ihm vorbei in den Zug und niemanden schien diese Szene zu
interessieren, es gehörte anscheinend zu ihrem Alltag dazu
nur sich und seine kleine Welt zu sehen, apathisch Dinge
auszublenden, um nicht in seinem Trott gestört zu werden.
Der Obdachlose zerrte immer noch an mir und langsam machte
mich seine nichtige aufgezwungene Konversation wütend und
bereitete mir Kopfschmerzen. >>Ey, hörste mir überhaupt zu
man. Ich muss jeden Tag im Central Park unter ner Brücke
penn und halt das ohne Fusel nicht aus. Haste nicht was in
deiner großen Tasche?<< Er nahm seine Hand von meiner
Schulter und begrabschte im nächsten Moment an meiner
Reisetasche herum. >>Bleeker Street<<, hallte es aus einem
der Lautsprecher. Eine Station noch dann war ich diesen
Typen los. Ich nahm meine Tasche und riss sie ihm aus
seinen widerlichen Händen. Voller Verachtung stand ich auf
und blickte auf ihn herunter. >>Musste hier aussteigen oder
was, gehst jetzt in dein schickes Apartment?<< Er blickte
höhnisch an mir hoch als ich mich Richtung Tür wandte und
über seine Beine stieg. >>Sind heute wohl nicht gut drauf
was?<< Ich hielt mich an einer der Eisenstangen vor der Tür
fest und nachdem er seinen Satz beendet hatte brach er in
lautes Gelächter aus. Vermischte mit seiner rauen Stimme
und dem schleimigen Husten lief mir ein kalter Schauer den
Rücken hinunter. Der Name meiner Haltestelle erklang im
Lautsprecher, die Bahn bremste und man hörte von innen
etwas gedämpft das Quietschen der Räder. Der Penner lachte
immer noch laut vor sich hin. Als ich mich noch einmal
umdrehte blickte er mich höhnisch und mit einem gewissen
Strahlen in seinen Augen an. Der Mann im Anzug blinzelte
kurz über den Rand seiner Zeitung, um sie sofort wieder wie
ein Schutzschild vor sich zu ziehen. Ich wusste nicht warum
der Mann lachte, er lachte mich aus. Aber warum sah sein
Gesicht so aus als würde er einen Sieg davon tragen? Der
Zug kam etwas ruckelnd zum Stehen. Die Türen zischten
leicht und öffneten sich mit einem klacken. Ich stieg aus
und er fuhr nach wenigen Sekunden wieder ab. Das groteske
Gelächter verschwand hinter mir, wurde mit den Lichtern des
Zuges im schwarz des Tunnels verschluckt.
Niemand war zu sehen. Die Station schien wie leer gefegt zu
sein. Ich stand alleine auf dem U-Bahn Bahnsteig.
Verlassene Stille umgab mich und nur das groteske Lachen
hallte noch etwas in meinen Ohren.
Trotz aller Verbotsschilder zündete ich mir eine Zigarette
an. Ein Neonlicht flackerte über mir und gab dabei ein
stilles elektronisches Surren von sich. Aus der Richtung
des Ausgangs konnte man das gedämpfte tropfen des Regens
hören und in den Tiefen des Tunnelsystems, unsichtbar für
meine Augen hörte ich einen einsamen Zug rattern.
Ich starrte auf das fluoreszierende Grau und Weiß der
gekachelten Wände, hielt meine Reisetasche fest in der
linken Hand und den Gitarrenkoffer in der rechten. Der
Obdachlose ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Jeder in
diesem Zug hatte seine Routine und tat nichts dagegen. Man
stieg ein, wurde ein Teil davon auch wenn man es nicht
wollte und dachte anders zu sein. War der Penner nicht auch
anders und lebte trotzdem jeden Tag das gleiche erbärmliche
Leben?
Ich zog an meiner Zigarette und in der Stille hörte ich den
Tabak leise knistern. Niemand wehrte sich gegen das eigene
dahin vegetieren in seinem freiwilligen Käfig gefüllt mit
den Schlangen der Abhängigkeit.
Ich war ausgestiegen, stand alleine vor dem Weg den ich
gehen wollte, sonderte mich ab, schleuderte jede bequeme
Routine von mir.
Ein letztes mal zog ich an der Zigarette, warf sie auf die
Gleise und fühlte mich nach tiefem durchatmen wieder
kräftig und mutig genug weiter zu gehen.
Langsam und halb in Gedanken versunken schlenderte ich den
grauen dreckigen Gang zum Ausgang entgegen. Der Wind pfiff
ein wenig in die kalte Unterwelt und wirbelte ein altes
Zeitungspapier in die Luft. Ich stieg die kalten
Steintreppen empor und der Regen prasselte wieder mit
unbändiger Gnade auf mich nieder. Noch ein paar Meter dann
würde ich an meinem Hotel sein. Der kalte Regen
beschleunigte meine Schritte und so stand ich nach wenigen
Gehminuten vor dem leuchtenden Eingang meines Hotels.
Die strahlen der Lichter blendeten und schienen trotzdem
eine unnatürliche Wärme in dieser Nacht aus.
Wahrscheinlich waren es eher die Gedanken an ein trockenes
Zimmer und ein warmes, weiches Bett die mich innerlich ein
bisschen wärmten.
Durch eine Bronzefarbene Drehtür betrat ich das Foyer.
Es war eine sehr große Eingangshalle mit hohen Decken in
der auf dem Boden ein samtiger Teppich ausgelegt war. Die
gedimmten Lichter der goldenen Kronleuchter hauchten auf
alles einen seichten, warmen Schleier.
Ich blickte mich um und bemerkte wie ruhig es hier war. Ein
Mann saß mit einem Party Hut auf dem Kopf versunken in einem
Sessel, sonst waren nur die Frau am Schalter und ich
anwesend.
Mich Ergriff eine innere Gelassenheit. Diese Stille an
einem sonst so belebten Ort, wie ein Bahnhof der Nachts
schlief und sich von der Hektik des Alltags erholte. Die
verstummenden Wände die keinen Schall wiedergaben. Diese
wunderbare Menschenleere, als gäbe es kein hektisches hin
und her und nur die Andeutung von existierendem Leben.
Eigentlich war es auch nur eins von hunderten Hotels in
dieser riesigen Stadt, nichts worüber ich eigentlich
großartig nachdenken sollte. Eine provisorische Bleibe für
einen Reisenden, dem es kurz nach einem warmen Bett und
einem Dach dürstete.
Ich brauchte nur etwas Schlaf und wollte nicht wie
irgendwelche Touristen hier eine Woche mit Sightseeingtour
und Shopping vergeuden. Nur um später prahlen zu können
schon einmal hier gewesen zu sein.
Es war für mich nur eine Stadt mit irgendwelchen Häusern,
irgendwelchen Menschen, irgendwo auf diesem Gottverlassenen
Planeten, hässlich, dreckig und grau wie jede andere.
Völlig durchnässt wendete ich mich nach links und ging zum
Empfangsschalter der neben einer großen Treppe lag.
>>Hallo, ich habe ein Zimmer im Voraus gebucht.<<, sagte
ich der Bediensteten an der Rezeption. >>Guten Abend. Ich
bräuchte dann einmal Ihre Buchungsnummer bitte.<<
Ich durchsuchte meine klitschnasse Jacke nach dem Zettel,
auf den ich die Nummer notiert hatte und legte ihn der
jungen Frau auf den Tresen.
>>Okay, da haben wir es. Ihr Zimmer befindet sich im achten
Stockwerk. Nummer 263.<<, entgegnete mir die etwas
verschlafen wirkende junge Frau, nachdem sie die Nummer in
den Computer eintippte. Wie jeder Verkäufer oder
Dienstleister strahlte auch sie diesen unnatürlichen
aufgesetzten Charme aus. Etwas was mir schon immer etwas
zuwider war.
Nachdem sie meinen Namen notierte übergab sie mir endlich
die Schlüssel und lächelte noch etwas aufgezwungen, als das
Telefon klingelte und ich mich so weiterer Konversation
entziehen konnte.
Ich wollte nur schnellst möglich weg, alleine sein und
endlich alles Review passieren lassen. Mich neu Ordnen und
die nächsten Schritte durchgehen.
Der Aufzug fuhr mich in mein Stockwerk und nach ein paar
Metern den Flur runter fand ich mein Zimmer.
Es war für ein Einzel-Zimmer sehr geräumig und wirkte recht
bequem. Ich erblickte die typischen Hotelzimmer Farben.
Weiße Wände, eine beige Bettdecke und Vorhänge in der
gleichen Farbe. Die Schränke, Tische und Sessel waren
dunklere Holzmöbelstücke die dem ganzen etwas Rustikales
gaben, was mir irgendwie gefiel. Jedes Mal wenn ich ein
Hotelzimmer neu betrat hatte ich dieses seltsame Gefühl.
Alles war frisch und wirkte so steril, obwohl hier bestimmt
schon Hunderte Menschen genächtigt haben müssten. Man
spürte nichts davon. Das Zimmer war in dem Sinne
charakterlos. Irgendjemand ging hinein, reiste wieder ab
und das Zimmer blieb so wie es war. Nichts nahm Notiz von
einem. Man war nie in diesem Zimmer.
Wie die meisten Menschen denen man in seinem Leben
begegnete. Sie nahmen immer nur ein bisschen Notiz von dir
und deinem Leben. Man hinterließ keine bleibenden Spuren.
Niemand würde dich richtig kennen. Lediglich kleine
Bruchstücke. Man blieb ein charakterloses Puzzle für die
Menschen die einen Umgaben.
Für manche Menschen schien es die Erfüllung ihres Lebens zu
sein, jemanden zu finden der sie völlig auswendig kannte.
Eine Vorstellung die mir Angst machte. Es war wesentlich
befriedigender für mich zu wissen, dass mich niemand ganz
kannte außer ich selbst. Ein Weg den ich nur durch Gewisse
Einsamkeit beschreiten konnte. Doch ich war frei. Besaß
keine moralischen Bindungen die mich zu irgendwas zwangen
und ohnehin nur ausbremsten.
Ich zog meine Lederjacke und die Schuhe aus. Zündete mir
eine Zigarette an und blickte durch das Fenster auf die
Straße. Der Regen durchschnitt weiter unaufhörlich in die
Nacht hinein. Ich konnte diesen verdammen Regen nicht mehr
sehen, dachte ich. Dauernd dieser Regen, der mich in
schwarze Tiefen ertränkte.
In meiner Geburtsstadt gab es nur zwei Jahreszeiten.
Sommer und Herbst. Selbst im Frühling und im Winter viel
kein Schnee, sondern Regen. Dieser dicke harte Regen den
man nur in der Nähe vom Meer finden konnte. Nach mehr als
zwanzig Jahren hatte ich einfach die Schnauze voll. Immer
dieses ewige Grau und schlecht gelaunte Menschen. Mein Kopf
ertrank in diesem Regen, war vollgesogen wie ein
gesättigter Schwamm.
Die damalige Tatsache, dass es sich in den nächsten Jahren
für mich nicht ändern würde, da ich noch Studierte und
keine Möglichkeit sah endlich abzuhauen, ließ die Wut auf
diese Welt weiter in mir aufsteigen.
Meine ganze Umwelt war ein ewig graues Gefängnis.
Doch jetzt war ich hier, hatte all meine Kräfte zusammen
genommen um eine Änderung vorzunehmen. Es ging einfach
nicht mehr, dieser Ort hätte mich fast zerbrochen.
Höchstwahrscheinlich kamen die meisten Menschen wie ich,
einfach in der falschen Gegend oder in der falschen Zeit
auf diese Welt.
Den meisten in meiner Jugend ging es fast genauso wie mir,
doch das einzige was sie taten, war am Wochenende in die
Discos zu gehen und sich fast still mit ihrem Schicksal
abzufinden, sich dem Zustand des dauernden Spaßes und des
einfachen Existierens hinzugeben.
Vielleicht lag es auch an ihrer Vorstellung vom Glück warum
niemand ausriss und seine Träume wirklich verfolgte. Mit
all dem Mut der dazu gehörte und den Fehlschlägen die
eventuell auf einen treffen konnten.
Sie definierten ihr Glück alle gleich.
Ein geregelter Job, ein Eigenheim, ein Ehepartner und ein
bis zwei Kinder. Allein der Gedanke jemals so zu Enden
hatte mich immer voller Hass erfüllt. Sie amputierten ihre
Freiheit richtig zu leben. Sie nahmen ein vorgefertigtes
Schicksal an.
Bei dem Gedanken schreckte ich plötzlich etwas auf. Was
war, wenn ich falsch lag? Wenn ich mich so verbissen an die
Freiheit klammerte und damit mich vom Glück amputierte?
War es nicht doch besser so ein vorgeformtes „glückliches“
Schicksal anzunehmen als rastlos durch diese Welt zu ziehen?
Nein! Ich hatte keine Wahl die Vergangenheit trieb mich
voran. Es gab zu viele Ereignisse die mich hierher an
diesen Ort brachten.
Meine Gedanken drifteten ab und verschwommen. Ich runzelte
die Stirn, zog hastig an der Zigarette und versuchte mich
wieder zu konzentrieren.
Jetzt war jetzt und hier war hier. Du darfst den Blick das
wesentliche nicht verlieren, hämmerte ich mir ein. Ich kam
hierher um das umzusetzen was ich mir in den Kopf gesetzt
hatte.
Mein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln das im Spiegel
des Fensters wie eine entstellte Fratze zurückblickte.
Warum fing ich jetzt zu zweifeln an? Sollte ich mich nicht
eher freuen von all dem Abschied genommen zu haben? Kein
inhaltsloses Gerede aufgesetzter Freunde. Wer gerade was
studierte, was für einen tollen Job der und der hatte oder
welche Frau von wem Schwanger war.
Ich zündete mir eine weitere Zigarette an und sah weiter in
den Regen.
Das Spiegelbild von mir im Fenster, der dunkle Hintergrund
der Nacht und die grelle Beleuchtung im Zimmer verschafften
mir einen surrealen Anblick der mich ein bisschen an die U-Bahn
erinnerte. Die Menschen die aus dem Fenster starrten
und nur sich selbst sahen.
Ich starrte ebenfalls durch das Fenster ins Dunkle und
vernahm im seichten Schein des Mondes die Silhouette der
Stadt. Wie ein hellgraues Leichentuch legte sie sich mit
einer dunklen Vorahnung auf mich nieder.
Ich rauchte die Zigarette zu Ende und begann meine
Reisetasche auszupacken. Alles was für den nächsten Morgen
wichtig wäre.
Die Kulturtasche stellte ich in das kleine weiß gekachelte
Badezimmer, legte frische Wäsche auf den braunen
Ledersessel neben dem Bett und hängte ein schwarzes Hemd an
den Wandhaken.
Trotz der langen Schiffsreise fühlte ich mich nicht gerade
müde oder übermäßig ausgelaugt, höchstens ein wenig
verspannt aber ohne große Ambitionen mich jetzt ins Bett zu
legen. Vor lauter rauchen und nachdenken hatte ich völlig
vergessen das ich immer noch die nassen Klamotten an hatte.
Ich zog sie aus, suchte etwas Gleichwertiges aus der Tasche
und beschloss eine heiße Dusche zu nehmen die mich wieder
aufwärmen sollte.
Kraft und Motivation kehrten zurück, die wirren Gedanken
von eben flossen an meinem Körper herunter in den schwarzen
Abfluss. Nach und nach spürte ich wieder Leben in meinen
kalten Gliedern.
Nachdem ich mich abgetrocknet und wieder angezogen hatte
blickte ich mich im Zimmer um, fand aber nichts was
irgendeinen Reiz auf mich ausübte. Etwas rastlos lief ich
im Zimmer auf und ab. Der Termin beim Autoverkäufer war
erst morgen früh. Was könnte ich noch tun, dachte ich. In
meinem Kopf ging ich die Liste der Dinge durch die ich bei
Regen in einer fremden Stadt machen konnte.
Mir viel nichts großartiges ein und daraufhin stellte
ich den Fernseher an. In der Programmliste suchte ich nach
einem ansprechenden Sender und fand mich schließlich bei
Mtv wieder. Langsam ließ ich mich mit dem Aschenbecher in
der Hand auf das weiche Bett nieder. Irgendwie hatte ich
den Gedanken, dass um diese Zeit doch bessere Musik laufen
müsste als Mittags. Und tatsächlich, während ich so da saß
lief das Video zu „Heart shaped Box“ von Nirvana. Ein
großartiger Song indem auf unbeschreibliche Weise die
Melancholie in Musik ausgedrückt wurde. Es war diese reife,
ernste Art mit der Kurt Cobain seine Songs sang. Er
künstelte nicht. Jedes Wort war ernst, jedes Gefühl war
wirklich und das nahm ich ihm bedingungslos ab. Mich
stimmte der Gedanke, dass dieser Mann tot war und nie
wieder singen würde ziemlich traurig. Seine Kraft in den
Liedern war eine Rarität die kaum noch ein Künstler
ausstrahlte und heutzutage fast nirgends mehr zu finden
war. Wie sollten solche Künstler auch entstehen, wenn nicht
mehr die Seele der Musik Wert besaß, sondern nur noch
schneller Profit und hohe Verkaufszahlen an die breite
Masse? Jeder konnte heute ein Rockstar werden, egal wie
schlecht seine Musik war.
Ich legte mich mit dem Rücken auf das Bett und lies die
Musik, vermischt mit den Bildern auf mich wirken. Starrte
benommen in den Fernseher und sah die Szene in der die Band
in einem Krankenhauszimmer saß und vor dem Bett ein
schwarzes Kreuz gelebt war. Verstörend wirbelte sie alle
unerträglichen Bilder der Vergangenheit wieder auf. Ich
wollte aufstehen, den Fernseher abschalten, doch im
nächsten Moment war das Video zu ende.
Irgendein typischer MTV Rock erklang, der nicht ansatzweise
diese Energie, diese Leidenschaft in sich trug.
Es wurde als Rock`n Roll verkauft ohne wirklich Rock`n Roll
zu sein. Den neuen Künstlern fehlte definitiv etwas, alles
hörte sich nach der gleichen Scheiße an.
Ich drückte meine Zigarette aus, zog mir meine Lederjacke
über und beschloss nach unten an die Bar zu gehen, um mir
mit ein paar Drinks die Zeit zu vertreiben. Vielleicht
gaben sie mir auch endlich nötige Schwere für den Schlaf.
Beim Verlassen des Aufzuges hoffte ich trotz des schlimmen
Wetters nicht allzu viele Menschen anzutreffen und zu
meiner Beruhigung herrschte genauso gähnende Leere wie noch
eben im Foyer.
Ein kleines Stück rechts neben der Rezeption lag die Bar
hinter zwei nussbraunen Schwingtüren mit vergoldeten
Griffen.
Die Lichter waren etwas gedimmter als in der Eingangshalle
und es lief eine schöne, melodische Jazzmusik im
Hintergrund. Wie ich beim Eintreten schnell bemerkte durfte
hier sogar geraucht werden. Es gefiel mir auf Anhieb, denn
meiner Meinung nach war eine Bar in der nicht geraucht
werden durfte keine richtige Bar. Eine rauchfreie Bar hatte
kein Flair. Die besten Bars mit diesem gewissen Flair
waren für mich immer Irish Pubs gewesen. Sie waren dunkel,
es durfte geraucht werden, es lief vernünftige Musik und
manchmal gab es sogar gute Liveauftritte. In dieser dunklen
rauchigen Atmosphäre konnte man ein wenig untertauchen, ein
anderer, offenerer Mensch werden, was natürlich auch am
Alkohol lag.
Diese Hotelbar war zwar kein Irischer Pub, hatte aber
durchaus etwas schmeichelhaftes an sich.
Ich ging an ein paar runden Holztischen vorbei an denen
vereinzelt ein paar Pärchen saßen und sich leise
unterhielten. Vor ihnen flackerten kleine Kerzen in roten
Gläsern, die die ganze Bar in ein warmes Licht tauchten. In
der hinterste Ecke rechts neben dem Eingang trank ein Mann
ein Bier und blickte tief in eine Zeitung hinein.
Zielstrebig steuerte ich in Richtung Theke.
Ich setzte mich ziemlich weit rechts auf einen Hocker, mit
der Wand im Rücken. Von dort aus hatte ich das Gefühl
dieses Bild und die Atmosphäre der Bar am besten beobachten
zu können. Das warme Licht der Kerzen, die seichte Musik,
die Menschen die sich innig ansahen und leise mit einander
redeten. Alles vermischt mit der Gewissheit, dass draußen
die Welt am Versinken war, gab dem Ganzen einen
ästhetischen Ausdruck der Ruhe und Schönheit. Unweigerlich
wurde ich an ein Bild von Edward Hopper erinnert.
“Nighthawks“ war soweit ich wusste der Titel. Drei Menschen
die Nachts in einem Café saßen. Mehr nicht und trotzdem
strahlte dieses Bild fast schon etwas Magisches aus. Diese
Leere und die Stille in der Nacht beim hinein blicken in
ein Fenster oder eine Wohnung, während man eine schwach
erleuchtete Straße entlangging. Man sah Menschen, hörte
jedoch nichts und konnte nur erahnen was sie miteinander
beredeten.
Fast das gleiche Bild bot sich mir dar als ich meinen Blick
durch die Bar von innen schweifen lies.
Höchstwahrscheinlich hatte Edward Hopper das Gleiche
empfunden, während er außerhalb eines Cafés, vor der
Scheibe stand und hinein blickte, um es später in seiner
Weise als Bild zu interpretieren.
Es war einer dieser Momente die sich schon unzählige Male
in mein Gedächtnis gebrannt hatten. Ich ertappte mich sogar
dabei wie ein zufriedenes Schmunzeln über meine Lippen fuhr.
>>Sir, was darf es für Sie sein?<<, fragte mich der
Barkeeper und riss mich dabei ein wenig aus meinen
Gedanken. >>Einen Whiskey auf Eis.<<, entgegnete ich ohne
großartig zu überlegen.
Während der Barkeeper meinen Drink machte viel mir auf das
selbst er wunderbar in dieses Bild passte. Er trug ein
weißes Hemd und darüber eine schwarze Weste. Sein Haar war
ziemlich schütter aber nicht grau und bildete einen Kranz
um seine Glatze. Er sah aus wie ein Steve, Paul oder Frank,
wie jemand der gerne diesen Job machte. >>Hier bitte sehr,
einen Whiskey auf Eis.<<, sagte er freundlich und stellte
den braun-golden schimmernden Whiskey vor mich hin.
>>Danke. Den kann ich jetzt gut gebrauchen. - Nicht viel
los heute Abend was?<<, entgegnete ich. >>Das stimmt. - Ist
zur Abwechslung aber auch mal ganz gut. Vielleicht ist das
Wetter schon wieder so schlecht, dass sich die Leute lieber
alleine auf ihre Zimmer verziehen, als hier unten einen
Drink zu nehmen.<<, antwortete er.
In der Regel war ich kein Freund des Small-Talks außer er
wurde mit den richtigen Menschen geführt. Ein Small-talk
mit einer alten Dame, einem Kollegen oder sonst wem auf der
Straße, über das Wetter, Sport oder die anscheinend
dauerhaft schlechte politische Lage, ja selbst wenn mir
jemand erzählt hätte seine Frau wäre gestern gestorben,
verabscheute ich es. Diese Unterhaltungen waren nichts als
zeitraubend und ich versuchte solchen Gesprächen, egal mit
wem immer aus dem weg zugehen.
Dagegen hatte ein Small-talk, nachts in einem Taxi oder wie
jetzt in einer Bar immer einen gewissen Reiz. Ich konnte
den richtigen Leuten etwas aus meinem Leben erzählen und
wusste, dass sie es in einer Woche schon wieder vergessen
hatten. Der Barkeeper in diesem Hotel, stand wahrscheinlich
schon hunderten Männern wie mir gegenüber, die einsam an
ihrem Whiskey nippten und vertieft in die Nacht hinein
blickten.
Ich bekam Lust etwas zureden, nicht über komplizierte
Fragen des Lebens einfach ein bisschen plaudern. Nicht mit
einem Freund und erst recht nicht mit irgendwelchen
Verwandten. Es waren Fremde denen ich mich mitteilen
wollte. Nichts hasste ich mehr als Unterhaltungen mit
Verwandten. Sie sahen dich aufwachsen, hatten eine
gemeinsame Vergangenheit mit dir, man musste dauernd
aufpassen was man sagte weil man unweigerlich auf dem
nächsten Familientreffen darauf angesprochen werden konnte.
Sie wussten alles und auch nichts von mir. Da war nur einer
der mich Verstand, der fühlte wie ich, jemand den ich
wirklich liebte.
Am meisten hasste ich die Tatsache, dass sie egal wie sehr
ich mich distanzierte immer Anteil an meinem Leben haben
würden. Ich blieb schließlich immer der Sohn, Bruder, Neffe
von irgendwem und selbst wenn ich Tod wäre, hätten sie noch
Anteil an meinem Leben gehabt. Würden sich erzählen, wie
gern ich dies und das als kleiner Junge tat oder welches
Mädchen ich zuerst mit nach Hause brachte.
Bevor mich meine Wut überkam kippte ich den Whiskey in
einem Zug in die Kehle. Es war nicht gerade ein edler
Tropfen, also war es kein Akt den es zu verschmähen gab.
Ich zündete mir eine Zigarette an und beschloss bei der
nächsten Bestellung mit Steve, Paul oder Frank eine
Konversation anzufangen. >>Noch einen auf Eis bitte.<<,
sagte ich ihm freundlich und hob dabei mein leeres Glas in
die Luft. Der Umstand nicht schreien zu müssen wie in einer
überfüllten Bar an einem Samstagabend erfreute mich. Diese
wunderbare Atmosphäre blieb aufrecht erhalten.
>>Hier bitte sehr, Sir.<<, sagte der Mann als er mir das
Glas hinstellte. >>Arbeiten Sie schon lange hier?<<, fragte
ich, wobei er mit dem Rücken zu mir ein paar Gläser
abtrocknete. >>In diesem Hotel erst seit zwölf Jahren
glaube ich. Aber als Barkeeper hab ich schon als
Jugendlicher gearbeitet.<<->>Scheint ihnen ja Spaß zu
machen. - Sind sie da irgendwie rein gerutscht oder war das
schon immer Ihr Traumjob?<<->>Eine Mischung aus beidem
würde ich sagen. Mein Vater hatte ein kleines Restaurant in
little Italy und schon als Junge stand ich ab und zu an der
Bar und mixte Drinks für die Leute.<<
Er bekam einen leicht wehmütigen Blick und ein kleines
Lächeln im Gesicht. Es musste eine schöne Kindheit gewesen
sein. >>Ihre Eltern kamen also nicht aus Amerika?<<, hakte
ich nach. >>Richtig, Italien wie sie sich vielleicht schon
gedacht haben. Noch vor dem zweiten Weltkrieg kamen sie
hier her, um ihr Glück zu versuchen<<->>Was ist dann
passiert? Hätten Sie nicht in dem Restaurant Ihrer Eltern
arbeiten können?<<->>Natürlich. Ich hätte es auch gerne
später von meinem Vater übernommen aber...<< Er atmete tief
ein und seine Augen blickten etwas leer auf den Boden. Sein
Lächeln war mit einem mal verschwunden und er wirkte im
Schein des gedimmten Lichts plötzlich alt und verletzlich.
Ich hätte nicht fragen dürfen. >>Nun, es gab einen Brand in
der Küche. Das ganze Restaurant fackelte in einer Nacht bis
auf die Grundmauern nieder. Da war nichts mehr zu retten.
Die Versicherung erstatte zwar einen Teil aber es reichte
nicht für einen Wiederaufbau oder einen gleichwertigen
Neukauf.<<, sagte er und begann wieder langsam seine Gläser
abzutrocknen wobei er ein wenig zerstreut auf sein
kariertes Küchentuch blickte.
In solchen Situationen vielen mir nie die richtigen Worte
ein, falls es die bei so etwas überhaupt gab. >>Das tut mir
wirklich leid.<<, sagte ich und bemerkte dabei mit einem
leichten Schrecken das ich nun der Fremde war der keinen
wirklichen Anteil nahm. Ein Fremder der nur Bruchstücke
erfuhr und diese im nächsten Moment wieder vergaß. >>Keine
Ursache, so ist halt das Leben. Und zum Glück geht es ja
immer weiter, wie man so schön sagt.<<, entgegnete er und
versuchte dabei schwach zu lächeln.
Er stand noch immer etwas aufgekratzt hinter der Theke und
ich überlegte wie ich dieses Gespräch noch wenden konnte.......

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